Gier, Verlangen, Neid und Eifersucht … wir können versuchen, möglichst frei von diesen unangenehmen Gefühlen zu sein.
Aber komplett abschütteln? Vergiss es!
Sie sind evolutionär eingebrannt.
Ich erlebe es täglich an meinen eifersüchtig konkurrierenden Kindern. Und ich erlebe es an mir immer wieder …. ganz aktuell:
Meine Frau und ich wollen uns in nächster Zeit ein neues Auto kaufen. Eigentlich bedeuten mir Autos nicht so viel. Wir haben kein großes Budget. Und der Kauf eines Familienautos sollte eine pragmatische Angelegenheitsein. Da kommt mir plötzlich in den Sinn, dass ein Ford Mustang schon ein tolles Auto ist und gleich schaue ich mir im Internet ein paar Bilder dieser Auto-Legende an.
Wir können uns der mächtigen subtilen Stimme nicht entziehen, die regelmäßig zu uns spricht und mehr und anderes will als das, was wir gerade haben.
Sind wir also Sklaven des Verlangens?
JA – wenn wir in den klassischen Kategorien des Begehrens unterwegs sind:
Mehr Geld, mehr Macht, mehr Sex, mehr Liebe, mehr Anerkennung.
Die erste Million. Die größere Wohnung. Das tollere Auto. Der nächste Karriere-Schritt. Die nächste Eroberung.
Das sind alles schöne und legitime Wünsche. Aber das ersehnte nachhaltige Glück bleibt aus. Früher oder später stellt sich wieder ein Mangelgefühl ein und man braucht neue Ziele.
Dieses Phänomen hat sogar einen Namen: Hedonistische Tretmühle.
Aber was, wenn wir unseren Durst nach mehr umlenken auf wünschenswerte Eigenschaften? Zum Beispiel:
- Freundlichkeit
- Lebendigkeit
- Mut
- Humor
- Lebensfreude
- Demut
- Dankbarkeit
- Ehrlichkeit
- Verlässlichkeit
Aus einer sklavischen Tretmühle wird eine Entwicklungs-Chance.
Wir können z.B. Menschen hemmungslos bewundern und beneiden:
- den Arbeitskollegen, der auch in schwierigen Situationen freundlich bleibt und sich nie beklagt.
- den Milliardär Warren Buffett, der immer noch in dem Haus lebt, das er sich im Jahr 1958 für 31.500 Dollar gekauft hat
- die heldenhafte Mama mit dem gewalttätigen Alkoholiker als Ehemann, die es schafft, ihren Kindern trotz allem einen guten Start ins Leben zu ermöglichen
- das tanzende Kind, das voll im Hier und Jetzt lebt und sein Leben in vollen Zügen genießt
- den Menschen, der sein Ding macht, egal was andere über ihn sagen oder denken
- Pippi Langstrumpf, Iron Man, Leonidas, Momo
Diese Bewunderung motiviert uns, solche Charakter-Eigenschaften zu entwickeln.
Und wie die Stoiker wussten:
“Glücklich sein heißt einen guten Charakter haben.”
(Marc Aurel, Selbstbetrachtungen 7.17, übersetzt von F. C. Schneider)
Den „Raum des Verlangens“ bewusst füllen.
So nenne ich eine Übung in 3 Schritten, die ich dir im folgenden gerne vorstellen möchte:
Schritt 1: Reflektiere deine Woche
Setz dich in einer ruhigen Minute hin und denk an die letzten Tage zurück. Frage dich:
- In welchen Momenten habe ich etwas begehrt, das ich nicht wirklich brauchte?
(der Ford Mustang ist wunderschön, aber kein Familienauto) - War es ein materielles Gut, mehr Anerkennung, oder etwas anderes?
(Status und Anerkennung) - Wie habe ich mich danach gefühlt – hat das Verlangen mich innerlich gestresst oder unruhig gemacht?
(schon ein bisschen…schließlich kann ich mir dieses Auto nicht leisten und es ist auch kein Familienauto)
Schritt 2: Den Raum neu füllen
Stell dir nun vor, du befindest dich in einem leeren Raum, dem „Raum des Verlangens“. Dieser Raum steht symbolisch für deine Wünsche und Sehnsüchte. Anstatt ihn mit materiellen Dingen zu füllen, wähle bewusst eine Eigenschaft, die du an einem anderen Menschen bewunderst und die du erstrebenswert findest. Zum Beispiel:
- Freundlichkeit – anderen Menschen mit Empathie begegnen.
(mir kommt mein Cousin in den Sinn, der immer freundlich und interessiert ist)
Nimm dir einen Moment Zeit, um diesen Raum in Gedanken zu füllen. Stelle dir vor, wie es sich anfühlt, wenn diese Eigenschaften Teil deines Lebens werden.
Schritt 3: Plane konkrete Schritte
Überlege dir, wie du in den kommenden Tagen bewusst daran arbeiten kannst, diese Eigenschaft zu leben. Zum Beispiel:
- Freundlichkeit:
Wie kannst du heute freundlich zu jemandem sein, selbst wenn du gerade im Stress bist?
(ich z.B. habe ein Homeoffice. Wenn einer meiner Kinder dann gerade was von mir will und anklopft, bin ich oft gestresst und unfreundlich. Das möchte ich ändern.)
Notiere dir einen kleinen, konkreten Schritt, den du machen möchtest, um diese Eigenschaften zu stärken.